1976 Kochlik Bahnrad
Der Rahmenbauer Hans Kochlik kann quasi als eine Art Urvater der Textima-Räder betrachtet werden, weshalb auch er hier unter dieser Rubrik mit aufgenommen wurde. Hans Kochlik erlernte die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Fahrradreparatur zunächst in
einem kleinen Leipziger Zweiradbetrieb. Später bewarb er sich in einem größeren Betrieb, welcher sich in Leipzig durch Umbauten und Neuaufbauten von Fahrrädern sowie Lackierungen einen Namen machte. Dort hatte er die Möglichkeit dem Werkstattmeister
beim Löten von Rahmen über die Schulter zu schauen und das Handwerk peux a peux zu erlernen. Mitte der 50er Jahre wurde Kochlik dann Vereinsmechaniker des SC Rotation Leipzig. Hier übernahm er nicht nur die Pflege und technische Instandhaltung der Räder,
sondern baute auch Straßen- und Bahnrennrahmen für die Sportler des SC, wodurch er sich schnell einen guten Ruf unter den Radsportlern der DDR machte und schließlich ab 1967/68 zum Verbandsmechaniker der Nationalmannschaft delegiert wurde.
Die immer größer werdende Anzahl an Rahmen, die Kochlik für die Sportler, aber auch privat fertigen sollte, erforderten bald eine neue Werkstatt. Spätestens ab 1975 wurde zudem zusätzlich klar, dass Kochlik die Aufgabe nicht mehr allein bewältigen konnte,
Bahnrad Rahmen für Weltmeisterschaften und Olympische Spiele zu. Folglich beschloss man einen weiteren Fachmann zu suchen, welcher an das Handwerk des Rahmenbaus herangeführt werden konnte. Diesen Fachmann fand man in Christian Pyttel, der sich schon
bald als fähigster „Lehrling“ von Hans Kochlik erwies. Pyttel hatte bereits einige Erfahrung im Fahrradbau und konnte seine Fähigkeiten unter der fachkundiger Anleitung Kochliks schnell erweitern. Ab dem Winter 1975/1976 arbeiteten Hans Kochlik und Christian Pyttel an der Fertigung der Bahn-Rahmen für die Olympischen Spiele 1976 in Montral. Die Arbeitsabläufe wurden aufgeteilt, in Kochliks Werkstatt in Leipzig wurden die Rahmen hergestellt und Pyttel bearbeitete in seiner Werkstatt unter anderem die Kurbeln von Campagnolo. Diese wurden Kurbeln spitz gefeilt, was sowohl das Gewicht etwas verringerte, als auch den Luftwiederstand minimal senkte. Weiterhin wurde die Kurbel mehrfach gebohrt und die Bohrungen mit Tesafilm abgeklebt, um keine Verwirbelungen an den Löchern zu erzeugen. Die Unterstützung durch Pyttel allein reichte jedoch auch nicht lange aus, sodass beschlossen wurde ein separates Entwicklungs- und Forschungszentrum in Karl-Marx-Stadt zu errichten, welches später unter der Bezeichnung „Textima“ bekannt wurde. Das hier dargestellte Bahnrad wurde im Jahr 1976 gefertigt. Es stellt eine Art Übergangsmodell von der gemufften Bauweise zu muffenlosen Rahmen dar. Am Steuerrohr wurde bereits, zugunsten einer besseren Aerodynamik und Gewichtsersparnis, auf Muffen verzichtet. Am Tretlager kam noch eine Muffe zum Einsatz, wahrscheinlich um die Steifigkeit zu erhöhen. Damit trotzdem etwas Gewicht gespart werden konnte, verfügt das Tretlagergehäuse über eine große Aussparung auf der Unterseite. Die Modelle der Folgejahre verzichteten größtenteils komplett auf Muffen. Weiterhin wurde begonnen mit umgeformten Rahmenrohren zu experimentieren um aerodynamischere Querschnitte zu erzeugen. All diese Entwicklungen gehen dabei hauptsächlich auf Wolfgang Taubmann und Paul Rinkowski zurück, welche in Kochlik einen fähigen Rahmenbauer gefunden hatten um all ihre Überlegungen in die Tat umzusetzen. Die Arbeits- und Fertigungstechniken von Hans Kochlik wurden später direkt in den Textima-Werkstätten übernommen und weitergeführt.
von T. Kabs und B. Selge
Anlegung der Sitzstreben noch wie bei Diamant
Die einzige verwendete Muffe bei diesem Modell
Fachwerk der Gabel von unten
Rinkowski Gabelkopf mit Fachwerk von innen
Aussparung im Tretlagergehäuse
Die Gabelaugen wurden mit 7 Bohrungen versehen
Kochlik versah die Ausfallenden mit 13 Bohrungen
Wenn ihr für Klassiker und Diamant Räder auch etwas übrig habt, dann seid ihr auf meiner Seite "Diamantrennradkult" genau richtig. Meine Leidenschaft gilt den Rädern der ältesten produzierenden Fahrradfabrik Deutschlands. Einige Modelle stelle ich mit Detailbildern und Informationen vor, andere als Gesamtrestauration. Ich versuche möglichst den Originallack und -zustand zu erhalten. Gebrauchsspuren und Patina spiegeln das Alter und den Einsatz der Räder wieder. Besonders gefallen mir die verschiedenen Farbgebungen, Dekore, Muffen und die Steuerkopfschilder.